Programm – FORGE25 – Daten neu denken

Das vollständige Konferenzprogramm finden Sie hier direkt im ConfTool der FORGE25.

Im Rahmen der dreitägigen Veranstaltung erwarten Sie insgesamt sechs Workshops, eine Eröffnung und Keynote, die von Jun.-Prof. Dr. Elisa Cugliana (Universität zu Köln) gehalten wird. 26 Vorträge und 22 Posterbeiträge werden in neun thematischen Sessions und einer Postersession präsentiert. Alle Programmpunkte stehen den Teilnehmenden offen und wir laden zur aktiven Teilnahme und zum Austausch ein.


Eröffnungs-Keynote:

Editiones vitreae sunt: tum cum splendent, franguntur. Daten, Software und Theorie zwischen Zufall, Schicksal und Magie

gehalten von Jun.-Prof. Dr. Elisa Cugliana (Universität zu Köln)

Editionen sind wie aus Glas gemacht – genau dann, wenn sie glänzen, zerbrechen sie. Inspiriert ist dieses Bild von einem Spruch über die Fortuna, der auf Publilius Syrus (1. Jh. v. Chr.) zurückgeht. Ein anderes Sprichwort, diesmal aus dem Italienischen, lautet: „Wer zu viel will, dem/der schwindet alles“ („chi troppo vuole nulla stringe“). Solche alten Lebensweisheiten scheinen noch heute zu vermitteln, dass Mittelmaß der sicherste Weg sei. Doch bedeutet dies, dass die Digital Humanities – und in diesem spezifischen Fall die digitale Philologie – auf Glanz verzichten sollten?

Im Kontext von Strategien zur Bewahrung digitaler wissenschaftlicher Editionen ist oft von der Nutzung standardisierter Technologien die Rede: etwa TEI-XML für die Modellierung, statisches HTML für die Veröffentlichung. Auch wird häufig empfohlen, auf komplexe Funktionalitäten zu verzichten, da deren Wartung aufwendig sei. Theoretisch klingt das alles sehr sinnvoll – und man könnte meinen, das Problem der Kurzlebigkeit digitaler Editionen sei damit zumindest teilweise gelöst.

Doch diese Ansätze verkennen wesentliche Aspekte, die im Kern der disziplinären Praxis liegen:

  1. Oft bestimmt das Material die Form: Nicht alle Texte sind linear, hierarchisch organisiert oder folgen einem sequentiellen Prinzip (Abschnitt A, B, C in Folge) – und es gibt mehr als „nur“ Text. In dieser Keynote stelle ich das Genre der Losbücher vor – interaktive Bücher/Spiele an der Grenze zwischen Wissenschaft und Magie, die in der Spätantike und im Mittelalter zur Zukunftsdeutung verwendet wurden.
  2. Wissenschaft entwickelt sich, so Karl Popper, durch sukzessive Falsifikation. Wenn XML über Jahre hinweg der Standard für Textkodierung war, so bringt der wissenschaftliche Fortschritt alternative Ansätze hervor, die einerseits aus methodischen Entwicklungen hervorgehen und andererseits diese selbst vorantreiben. Ich zeige anhand aktueller Beispiele, wie Graphentechnologien gleichzeitig das in den TEI-Guidelines kodierte Wissen aufnehmen, zugleich aber auch neue Möglichkeiten eröffnen, die über das OHCO-Modell, auf dem XML basiert, hinausgehen.
  3. Wissenschaft funktioniert nicht ohne Geld: Wer Drittmittel beantragt, muss in der Regel Innovation versprechen. Je innovativer ein Projekt, desto größer die Aussicht auf Förderung. Innovation kann aber auch Instabilität bedeuten.

Es sind also materielle (quellenbedingte), methodische und ökonomische Gründe, die es geradezu notwendig machen, dass digitale Editionen weiterhin „zu viel“ wollen.

Die digitale Philologie hat sich von Beginn an auch durch die Möglichkeiten des gewählten Mediums von der traditionellen Philologie unterschieden. Die Grenzen des Digitalen sind vielleicht nicht so greifbar wie die eines Buchblatts – aber sie sind da. Sie sind jedoch eher eine ferne Bedrohung, die man nicht ernst genug nimmt. Daher braucht es Klarheit: Welche Grenzen existieren wirklich? Gibt es Raum für Kompromisse? Gerade Veranstaltungen wie diese Konferenz bieten den Raum, um gemeinsam zu reflektieren, wie sich der zukunftsgewandte Impuls der Fachwissenschaften mit der durch Nachhaltigkeit motivierten Bewahrungsperspektive versöhnen lässt – damit wir die Zukunft der digitalen Philologie und der Digital Humanities nicht dem Zufall, dem Glück oder einem unbekannten Schicksal überlassen müssen.

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